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Humboldt-Schüler führten spannende Telefonate – und tauschten sich über ihre Erlebnisse als Wahlforscher aus

Von Yvonne Buchwald

Sie haben mehrere Stunden telefoniert, um die Stimmung der Wahlkreisbewohner einzufangen – als Jungdemoskopen haben die Schüler sich tapfer geschlagen – und sind nun auf das Ergebnis der Wahl gespannt.

"Am Anfang war da noch eine Scheu, die fremden Leute anzurufen, aber dann war man schnell drin und hat locker eine Nummer nach der andern gewählt." Johannes Schrader, Schülersprecher des Projekts "Schüler als Wahlforscher" unserer Zeitung war nervös, als er seine Telefonliste erhielt. 50 Nummern tippte er ein, setzte Häkchen im Computerprogramm, um die Wahlvorlieben seiner Gesprächspartner berechenbar zu machen.

"Einmal selber bei so einer Umfrage mitzumachen, das war schon interessant, vor allem die Reaktionen mancher Leute waren lustig", erzählt der 18-jährige Humboldt-Gymnasiast. Lachend erinnert er sich: "Einmal hatte ich eine ältere Frau dran, die mir zu jeder Frage eine Geschichte erzählt hat, wie das früher war mit den Wahlen, den Parteien und der Politik."

Anstrengend war es, so erzählen die Jungdemoskopen, die zum Teil vier Stunden am Hörer klebten, um die Stimmung der Wahlberechtigten einzufangen. "Aber auch spannend", findet Thomas Wrubel. "Viele, die Ahnung von Politik hatten, haben am Telefon ihre Ansichten ganz ausführlich erklärt und viele interessante Dinge gesagt", erzählt der 19-Jährige.

Erst gab es eine Einführung in das Wesen und die Geschichte von Callcentern ", erzählen die Schüler, "danach haben wir losgelegt – und das war manchmal ganz schön frustrierend." Denn: "Nicht alle waren freundlich, manche haben einfach aufgelegt", so Johannes Schrader. "Aber wenn sie erfuhren, dass wir Schüler sind, haben sie meistens sehr aufgeschlossen reagiert."

Etwa 30 Wahlberechtigte habe jeder erreicht, durchschnittlich acht bis zehn davon beantworteten den Fragebogen. "Ein Schüler bekam gleich 50 Absagen und erreichte niemanden von seiner Liste – da kam schonmal Verzweiflung auf", erzählt Politiklehrer Thomas Klinzmann.

Er ist stolz auf seine engagierten Wahlforscher, die ganz neue Kommunikationsfähigkeiten an den Tag gelegt hätten. "Wir waren so furchtbar freundlich, dass wir diese höfliche Stimmmelodie auch nicht ablegen konnten, als wir danach Hamburger bestellt haben", erzählt Maylin Behn (19) lachend. Und die 18-jährige Marlen Hepke fügt hinzu: "Der Aufwand war recht groß, aber wir sind gespannt, am Sonntag zu erfahren, wie wir mit unseren Ergebnissen gelegen haben."

Spaß habe es ihnen aber trotz glühender Ohren gemacht: "Wahlen sind wichtig und ich glaube, dass solche Umfragen eine Orientierungshilfe bieten – um sich selbst eine Meinung zu bilden, ist es wichtig zu wissen, was andere denken", ist sich Schülersprecher Johannes Schrader sicher.

Sowohl im Grundkurs um Lehrer Sebastian Koch als auch im Leistungskurs von Thomas Klinzmann haben die Schüler sich eifrig als Demoskopen betätigt. Politisches Interesse steht bei ihnen außer Frage: "Wir sind alle Erstwähler, da ist doch klar, dass wir motiviert zur Wahl gehen", sagt Maylin Behn. Auch anderweitig politisches Engagement können sich einige vorstellen: "Wer weiß, vielleicht werden wir ja Piraten", klingt es übermütig aus den Reihen – mit Humor wollen die Schüler Politik nicht nur in ihren Stundenplan, sondern
locker und lebendig in ihren Alltag integrieren.

Quelle: Braunschweiger Zeitung - 26.09.2009