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Lehrer, Eltern, Schüler und SPD-Politiker Detlef Tanke diskutieren den Klassenfahrten-Boykott am Humboldt-Gymnasium Gifhorn.

Die rund 100 Lehrer, Eltern und Schüler im Publikum der Podiumsdiskussion meldeten sich immer wieder lautstark zur Sache. Ganz zum Ende gab es doch etwas Versöhnliches. Auf die Abschluss-Frage, warum es an in Niedersachsens Gymnasien wieder Klassenfahrten geben wird, sagte SPD-Politiker Detlef Tanke: "Weil wir binnen 12 Monaten einen Kompromiss finden." Eine Weile müssten Schüler also noch auf Klassenfahrten verzichten.

 
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"Langsam sind auch die Eltern sauer. Das kann bei den Wahlen nach hinten losgehen." Carola Wildner, Vorsitzende des Stadtelternrats.
Zwei Stunden lang hatten die 100 Zuhörer bei der Podiumsdiskussion in der Aula des Humboldt-Gymnasiums weniger Gütliches gehört. Der niedersächsische SPD-Generalsekretär Tanke und die Gifhorner Lehrervertreter Andreas Matthies und Jan Stolle demonstrierten: Die Gräben zwischen Landesregierung und den Beamten sind tief. Sehr tief. Viel Arbeit für BZ-Chefredakteur Armin Maus, der den Abend moderierte. Und ein wenig ernüchternd für die Schüler. Sie hatten die Diskussion organisiert, um den Dialog in Gang zu bringen, und forderten durch ihren Podiumsvertreter Jonas Saggerer: "Schaffen Sie die Voraussetzungen, damit Lehrer wieder Klassenfahrten anbieten können." Tankes Position: Die jetzige Regierung will sich an die Schuldenbremse halten und dabei die Ganztagsschule ausbauen.

"Lehrer an Gesamtschulen geben bereits 24,5 Stunden Unterricht." Detlef Tanke, SPD-Landtagsabgeordneter.

Deshalb sei eine Stunde Mehrarbeit der Gymnasiallehrer notwendig. "Schließlich arbeiten Lehrer an Gesamtschulen bereits 24,5 Stunden." Und die geringere Unterrichtsreduzierung für Lehrer jenseits der 55 treffe Lehrer aller Schulformen gleichermaßen. "Aber nur Sie beklagen sich." Das wollten die Gymnasiallehrer nicht auf sich sitzen lassen. Man werde zusammenstehen, kündigte Matthies an, Politik-Lehrer und Personalrat am Humboldtgymnasium. Bei ihnen hat sich einiges aufgestaut, macht er deutlich. "Seit Jahren werden uns zusätzliche Belastungen auferlegt." Das aktuelle Vorhaben der rot-grünen Regierung war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. "Lehrer sind überlastet", das bewiesen Studien. Nicht zuletzt auch durch die ständigen Reformen im Schulwesen: G9 auf G8 und wieder zurück war da nur ein Beispiel. Um sich gegen den "Diebstahl" von Arbeitszeit und Bezahlung zu wehren, blieben den Beamten nicht allzuviele Möglichkeiten des Widerstands, verteidigte sein Kollege Jan Stolle die Maßnahme, Klassenfahrten vorerst einzustellen. "Wir verstehen den Schmerz der Schüler. Wir waren selbst einmal welche", erklärte Stolle vom Otto-Hahn-Gymnasium. Elternvertreterin Carola Wildner stellte sich auf die Seite der Lehrer. "Ich bin empört über die Landesregierung, die das aussitzt und auf dem Rücken der Kinder austrägt, nur weil sie Geld sparen will." Zumindest verschwommene Kompromissziele zeichneten sich aber ab: etwa durch die Reduzierung der Lehrer-Belastung an anderer Stelle. Die Streichung des fünften Prüfungs-Fachs könnte da eine Option sein, äußerte Tanke vage. Und der Anspruch der Lehrer, einen besseren Zeitausgleich für die Fahrten zu bekommen, sei "nicht unberechtigt". Aber nicht in dem Umfang wie es die Lehrer erwarteten. Ob das reicht? Wenn nicht, bleibt es beim Boykott der "freiwilligen Leistung Klassenfahrt" durch die Lehrer. "Wir ziehen das auch bis zur nächsten Wahl 2018 durch", drohte Matthies.

"Unsere Minimalforderung ist eine Untersuchung über den Umfang unserer Arbeitszeit" Andreas Matthies, Lehrer und Personalrat am Humboldt-Gymnasium.

 

 

 

"Es kann nicht sein, dass wir Schüler die Leidtragenden in diesem Konflikt sind." Jonas Saggerer, Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums.

 

 

 

 

Braunschweiger Zeitung, Gifhorn - 24. März 2015