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Am Donnerstag, dem 26.09.2019, hielt der bekannte Gehirnforscher Prof. Martin Korte (TU Braunschweig) im Rahmen einer Gesamtkonferenz vor der Lehrerschaft sowie der Schüler- und Elternvertretung einen sehr interessanten Vortrag über die neusten Ergebnisse der Gehirnforschung, effektives Lernen und unser digitales Zeitalter.

In seinem Vortrag am Humboldt-Gymnasium, das gerade eine Auszeichnung als „Digitale Schule“ von Kultusminister Grant Hendrik Tonne entgegennehmen durfte, zeigte Prof. Korte anschaulich, wie Lehrkräfte in digitalen Zeiten ihren Unterricht abwechslungsreich und für Schülerhirne effektiv gestalten können. Auch zeigte er, wie Schülerhirne Informationen verarbeiten und welche Faktoren sie dabei unterstützen oder hindern.

Ein Zuviel an Informationen stört das Denken
Unser Gehirn arbeitet hochselektiv, Wichtiges muss von Unwichtigem unterschieden werden. Bei einer Überforderung versagt unser Arbeitsgedächtnis (working memory). Von Multitasking (z.B. gleichzeitig Vokabeln zu lernen und fernzusehen) ist daher dringend abzuraten. Eine zu hohe Informationsdichte erhöht zudem die Fehleranfälligkeit und bedeutet Stress für das Gehirn, was wiederum leistungsvermindernd wirkt.

Selektive Aufmerksamkeit
Unser Gehirn arbeitet selektiv aufmerksam – als würde etwas durch einen Lichtkegel beleuchtet. Darum sollte der Lernende sich auf das Wesentliche (den Lichtkegel) konzentrieren und das andere ausblenden. Dies bedeutet in der Praxis, dass beim Lernen digitale Geräte wie das Handy weggelegt werden sollten, da unser Gehirn sonst unbewusst sich ständig damit auseinandersetzt. Auch ständige Unterbrechungen durch das Smartphone (z.B. Klingeln, Blick darauf) stören den Lernprozess und schaden der Effektivität und der Speicherung der Informationen.

Auch braucht das Gehirn ca. 15 min, um sich auf eine neue Situation und komplexe Inhalte einzustellen; erst dann setzt eine effektive Verarbeitung komplexer Inhalte ein. Zudem verändern sich Gehirn- und Wahrnehmungstrukturen auf der Basis neuen Wissens einerseits und des Vorwissens andererseits. Besteht mehr Vorwissen, so vernetzen sich neue Inhalte besser. Selbiges trifft bei der Hinterfragung von Wissenselementen zu.

Analoge oder digitale Medien?
Die Rolle des Lehrers bei der Vermittlung von Inhalten ist nicht zu unterschätzen: Sowohl die Nutzung von Methodenvielfalt als auch die Authentizität der Lehrkraft verbessern die Lernleistung. Digitale Medien können daher eingesetzt werden, um die Anschaulichkeit und Vielfalt zu erhöhen. Darüber hinaus eigenen sie sich zur stärken Individualisierung des Lernens und sind beim „blended learning“ nützlich. Andererseits belegen Studien, dass die in Büchern dargestellten Inhalte besser und länger memoriert werden. Auch ist Blickkontakt und die Fähigkeit zu Partner- und Gruppenarbeit sehr wichtig, was analoge Medien fördern. Prof. Korte empfiehlt daher die Nutzung von beidem: von analogen und digitalen Medien -  in guter Balance und auf die Lerngruppe zugeschnitten. Daher würde er auch nicht auf Schulbücher zugunsten von Tablets verzichten.

Laissez-faire oder Verbot bei den digitalen Medien – die Balance und der Konsens sind wichtig
In Schule und Familie wird oft über die zu hohe Nutzungsfrequenz digitaler Medien durch Jugendliche geklagt. Manche sprechen gar von einer Suchtproblematik, da viele Jugendliche es gewohnt sind, ständig die digitalen Medien zu nutzen. Ein völliges Verbot nutzt laut dem Vortragenden wenig. Prof. Korte rät stattdessen zu Geduld und Augenmaß, da das Ablegen von (schlechten) Gewohnheiten  schwierig und mit Frustration verbunden ist (vgl. das bull frog-Experiment).

Z.B. habe das „Daddeln in der Pause“ eine positive Funktion, es ist nämlich Teil der natürlichen sozialen Kommunikation der Jugendlichen untereinander. Andererseits ist das digitale Spielen in der Pause eine konzentrationszehrende Tätigkeit. Die dabei eingenommene Körperhaltung verursacht Kopfschmerzen. Bewegung und Sauerstoff in der Pause führt hingegen zur Entspannung und besseren Konzentrationsfähigkeit in der darauf folgenden  Stunde. Daher empfiehlt Professor Korte Medienregeln für Schule, Familie und Freizeit, die den Jugendlichen nicht „aufgedrückt“ werden, sondern die gemeinsam mit ihnen erarbeitet werden, also die konsensfähig sind.

Das Lernen positiv beeinflussen
Für den Lernprozess nützlich sind Motivation durch Neugierde, Selbstbewusstsein, Erfolgserlebnisse, Belohnungen (z.B. in Form von positivem sozialem Feedback) sowie eine positive soziale Bindung, Wertschätzung, der persönliche Einsatz, gute Vorbilder und die Identifikation mit dem, was man tut. Die Lehrkräfte sollten das Interesse wecken und erklären, warum etwas wichtig ist. Zudem sollten die Lernanforderungen fair sein, sodass die Schüler eine Chance auf Erfolg sehen. Darüber hinaus mag das Gehirn, wenn ihm komplexe Aufgaben gestellt werden.

Schlaf, Energie (gutes Essen), Sauerstoff, Bewegung, regelmäßige Aufnahme von genug Flüssigkeit und die Einbettung der neuen Lerninhalte in einen Kontext helfen ebenfalls beim Lernen und erhalten die Leistungsfähigkeit. Letzteres nennt Professor Korte auch „Knotenpunkte des Wissens schaffen“.

Lernen ist(manchmal)  mühsam
Lernen ist manchmal mühsam – und darf es auch sein! Je aktiver und mit möglichst vielen Sinnen Schüler sich am Lernprozess beteiligen, desto erfolgreicher und nachhaltiger ist der Lernprozess. Lassen sie sich hingegen nur „beschallen“ und „unterhalten“, bleibt die Lerneffektivität gering.

7 nützliche Lernprinzipien
Prof. Korte geht von sieben nützlichen Lernprinzipien für effektives Lernen aus:

1. Klare Ziele

2. Motivation und Konzentration

3. Wissen selbst neu sortieren und ordnen

4. Assoziationen nutzen

5. Bilder erzeugen

6. Zusammenhänge verstehen

und

7. Üben, üben, üben (in kurzen Intervallen)

Er ergänzt in seiner Darstellung, dass es nützlich ist, sich früh das eigene Vorwissen und den Stand des eigenen Wissens zu veranschaulichen (früher Abruf des Wissens). Beim Schlaf wiederhole der Körper Lerninhalte und festige sie. Regelmäßiges Trinken erhöhe die Lerneffektivität. Kurzzeitig können auch Kaffee und Tee helfen, die Lerneffektivität beizubehalten.

Professor Korte rät zudem zu nachhaltigem Lernen in kürzeren, dafür wiederholten Lernphasen. Auch sei es ein guter Trick, mit einem Projekt (zunächst) aufzuhören, bevor es beendet ist, da das Gehirn weiterdenkt und die Lösung finden will. So werde auch die Gedächtnisleistung gesteigert. Hilfreich sind auch die Einbettung des Neuen in verschiedene Kontexte und Zerstreuung, also kleine Pausen mit Freude bereitenden Momenten zur Entspannung.

Fehler müssen als Bestandteil des Lernprozesses gesehen werden – aus Fehlern lernt man. Angst ist kontraproduktiv, denn sie verhindert Lernleistung. Deshalb sollte man stets den Einsatz loben, nicht nur das Talent.

Der kurzweilige Vortrag endete nach 60 Minuten unter Applaus der an der Gesamtkonferenz Teilnehmenden; viele Erkenntnisse und Anregungen konnten für den Unterricht, aber auch für die Arbeit am neuen Medienkonzept gewonnen werden.