Wie wurdest du von deiner Gastfamilie aufgenommen?
Sie waren sehr herzlich zu mir und haben auch spanisch geredet. Sie selber waren früher zwei Jahre in Mexico. Vorher war ich noch einen Monat bei einer anderen Gastfamilie in Flensburg , um dort einen Deutschkurs zu belegen. Ich wollte dort auch in eine Disko, allerdings wurden Latinos da sehr diskriminiert. Es hieß: "Hier keine Latinos!" In Gifhorn, beziehungsweise Westerbeck bei meiner Gastfamilie habe ich mich gut mit Linn verstanden, auch, wenn sie am Anfang etwas schüchtern war. Ich mache viel Sport mit ihnen und koche oft. Anna, meine Austauschpartnerin, habe ich drei Tage kennengelernt.
Konntest du dich gut verständigen?
Selbst durch den Deutschkurs konnte ich nur wenig deutsch, also haben wir uns meistens auf englisch verständigt. Mit den Lehrern gab es hier und da Probleme. Manchmal haben sie mich etwas gefragt, ich konnte nicht richtig antworten und dann haben sie gelacht und ich wusste nicht warum. Frau Dina, Herr Weiß und Herr Gibbons waren aber sehr freundlich. Auch war die Begrüßung ungewöhnlich. In Uruguay gibt man sich einen Kuss auf die Wange bei der Begrüßung. Also wollte ich meine Klassenkameraden hier auch so begrüßen, doch die gaben mir erstmal nur die Hand und sagten "Hallo". Das irritierte mich. Ein Klassenkamerad brachte mir bei, dass zum Beispiel "Arsch" "Hallo" bedeutete, aber ich bekam schnell heraus, dass das nicht stimmte. Was ganz gut geklappt hat, war, als ich zum Friseur gegangen bin. Vorher habe ich noch mal meine Freunde gefragt, was ich sagen muss und ein Glück hat der Friseur auch nicht lange nachgefragt.
In welchen Städten warst du?
Ich war in München auf dem Oktoberfest, da haben wir getanzt, Italiener kennen gelernt, Bier getrunken und Spaß gehabt. Ich hatte sogar ein Dirndl an. Mit meiner ersten Gastfamilie war ich in Dänemark, mit meiner zweiten in Spanien. In Berlin habe ich die Berliner Mauer, viele Museen, den Reichstag und das Brandenburger Tor gesehen. Das war alles sehr interessant, die Geschichte fasziniert mich. Mit dem Zug und dem Auto sind wir öfters nach Hamburg gefahren, haben dort den Hafen und Hamburg Dungeon besichtigt und waren shoppen. Einmal habe ich an der Nordsee einen Freund besucht, aber leider war es dort sehr windig und sehr kalt. Mit meiner Gastmutter, Linn und ihrer Freundin Filiz bin ich nach Amsterdam gefahren und wollte mir dort unbedingt das Rotlicht Milieu ansehen, nur aus Neugier. Ich war sogar in Bergen Belsen, dort hat mich alles sehr geschockt und es war für mich sehr schwer vorstellbar, was dort früher passiert ist. Eklige Gedanken. In Magdeburg war ich in dem Imperial Rome Museum und habe dort viel über die Geschichte Roms erfahren. Besucht habe ich auch Düsseldorf, Hannover, Braunschweig, Goslar, Regensburg, den Harz und London. Meine Tante und eine Freundin wollen mit mir noch nach Paris.
Das hört sich nach einer Menge von Eindrücken an. Gibt es etwas, das du noch nicht gesehen hast, aber unbedingt noch sehen möchtest?
Ich wollte mir gerne noch Italien angucken. Manche Freunde, die ich hier besuchen wollte, konnte ich auch nicht besuchen. Meine Cousine, die schon in Köln und Dresden war, hat gesagt, dass diese sehr schöne Städte seien, da die Menschen dort sehr viel feiern und sehr glücklich sind. Die hätte ich auch gerne kennen gelernt.
Hat dir das Essen in Deutschland geschmeckt?
Zum Glück hat meine Gastmutter mir immer Fleisch gekocht. Ich mag nämlich normalerweise kein Gemüse. In Uruguay esse ich kein "Grünzeug". Ich fand es eklig. Mittlerweile esse ich sehr gerne Tomaten mit Salat. Sehr Lecker sind hier in Deutschland die Süßigkeiten. Die schmecken besser als in Uruguay und ich liebe Schokolade. Außerdem schmeckt das Brot hier viel besser. Bei uns zuhause gibt es nur Baguette, Toast und eine Sorte Brötchen. Hier ist die Auswahl viel größer und schmeckt auch besser. Ich habe Grünkohl mit Bregenwurst und Spargel probiert, das kannte ich vorher noch nicht. Der Grünkohl war echt lecker, der Spargel war nicht so mein Fall. Manchmal bin ich mit meiner Gastfamilie essen gegangen. Meistens italienisch. Das hat auch sehr lecker geschmeckt.
Was für Eindrücke hast du von Europa gewonnen?
Die Europäer sind sehr reich, haben alles, wissen das allerdings nicht zu schätzen. Wir in Uruguay haben wesentlich weniger und sind, so kam es mir manchmal vor, oft glücklicher mit weniger. Die Deutschen sind sehr fleißig, sehr gründlich und sehr perfekt. Sie wollen unbedingt arbeiten. Vor allem sind die Autobahnen schön. Hier ist alles sauber und auch nicht so teuer wie zum Beispiel in London. Es geht den Haustieren gut. Ich hatte einen Hasen in meiner Pflegefamilie, bei uns in Uruguay laufen viele Hunde auf der Straße herum und ernähren sich von Müll. Wir haben nur Flachdächer, hier gibt es meistens Spitzdächer. Schade war es, dass hier so große Diskriminierung herrscht, das hat mich ärgerlich gemacht. Und die Putzfrauen haben gefehlt. Es ist bei uns immer sehr einfach die Putzfrauen zu holen. Wir putzen nicht gerne selber. Die Partys sind auch nicht so lustig. Die Deutschen spielen nur Poker, trinken, sitzen rum und können gar nicht richtig loslassen. Sie sind unlocker beim Tanzen, wenn sie überhaupt tanzen. Bei uns ist das ganz anders. Mich haben alle komisch anguckt als ich auf einer Party war und ausgelassen getanzt habe. Gut, ich hatte schon ein bisschen getrunken, aber das macht man auf einer Party. Genau wie auf den Tischen tanzen. Hat hier keiner gemacht. Es wird sehr viel Hip Hop und Techno gespielt. Ich kenne eher Salsa, Samba, Merengue, Reggae, Cumbia und ein wenig Tango.
Was habt ihr für ein Bild des Deutschen in Uruguay?
Viele denken, alle Deutschen seien Nazis. Das ist natürlich nicht so. Ein mieses Vorurteil. Das gute Bier ist sehr bekannt und ich kann nur bestätigen, dass es wirklich gut ist. Deutsche sind blonde, blauäugige Menschen. Nun, es gibt hier wirklich viele blonde Menschen im Gegensatz zu Uruguay. Doch es sind nicht so viele, wie man denkt. Man weiß, dass es hier viel Geld gibt, das hat man auch bei der WM gesehen. So tolle Stadien, so gut eingerichtet, so guter Service, so viele Straßen und so viele Menschen, die ihre Autos mit WM-Artikeln schmücken. Wir haben aber keinen Spitznamen für Deutschland wie zum Beispiel die Deutschen "Inselaffen" für die Briten.
Was waren deine Ängste vor den Deutschen und was war schließlich die Wahrheit?
Bekannte von mir machten mir Angst. Sie sagten Sachen wie: "Wie kannst du nach Deutschland gehen, die Nazis bringen dich um!" Doch ich hatte keine Angst, ich hatte ein gutes Gefühl. Ich habe gemerkt, dass die Deutschen sehr ehrlich, treu und direkt sind. Man sagt sich hier die Meinung. Das finde ich gut. In Uruguay hat man Angst den anderen zu verletzen und ist eher sparsam mit der Wahrheit. Allerdings sind die Deutschen (vielleicht gerade deswegen) sehr distanziert und kalt, was ich gleich bei der Begrüßung gemerkt habe. Man sollte sich erst kennen gelernt haben, bevor man jemanden umarmt. Sonst wird es als unangenehm empfunden.
Hast du Weihnachten anders gefeiert als zu hause?
Auf jeden Fall. Hier ist es viel mehr ein Familienfest. Bei mir zu hause bekommen wir weniger Geschenke und um ein Uhr nachts treffen wir Jugendlichen uns alle auf der Straße und trinken bis um neun Uhr morgens. An Weihnachten ist es in Uruguay Sommer, man kann im Pool baden. Meine Freunde haben mich Weihnachten angerufen und mir erzählt, was sie gerade machen, dass sie feiern und es total lustig ist. Hier hat es geregnet und es war kalt, das kannte ich nicht. Mir sind die Tränen gekommen und ich wäre am liebsten kurz zu meinen Freunden geflogen und hätte mitgefeiert. Ich habe das sehr vermisst. Dafür hatte ich hier viel schönere Lichter. Überall hörte man Weihnachtsmusik und viele Gärten waren dekoriert.. Auch einen Weihnachtsmarkt kannte ich noch nicht. Das hat mich sehr beeindruckt.
Gab es Unterschiede zwischen den Schulen in Uruguay und in Deutschland?
Ich habe gestaunt, wie sehr sich die Mädchen hier schminken. Total viel Make-Up, als sei Fasching. Genauso ist es mit den Absätzen. Wir tragen in der Schule nie so hohe Absätze, das geht nicht. Ich gehe auf eine Privatschule, da muss ich eine Uniform tragen. Das Humboldt- Gymnasium ist sehr groß, hat sehr viele Labore und ist viel besser ausgestattet. Wenn wir uns zu hause etwas in Bio im Mikroskop angucken wollen, müssen wir alle nach vorne kommen und in ein Mikroskop gucken. Auf dieser Schule hatte jeder ein eigenes Mikroskop, sogar jeder einen Computer. Der Unterricht ist eigentlich nicht anders. Wir gehen um viertel vor acht zur Schule und kommen um eins nachhause. Aber wir haben länger Ferien! Von Dezember bis März sind bei uns Sommerferien, da es so heiß ist, dass Unterricht unmöglich wäre. Dann haben wir noch eine Woche im April, zwei im Juli und noch eine letzte im September. An unserer Schule gibt es leider nicht so viele Möglichkeiten, Sprachen zu lernen. Wenn wir Englischunterricht haben wollen, müssen wir das bezahlen. Kunst und Musik haben wir nur drei bis vier Jahre, dafür mehr Mathe und sehr viel Biologie. Religion wird gar nicht unterrichtet. Zwischen den Stunden haben wir nur fünf Minuten Pause, da gehen wir dann kurz raus. Im Unterricht sind die Schüler hier viel ruhiger. Sie haben mehr Respekt vor dem Lehrer. In Uruguay sagen wir "du" zu den Lehrern. Klassenausflüge werden selten gemacht und wenn dann nur einen Tag. Richtige Klassenfahrten gibt es (auch) bei uns nicht. Die Aufteilung in Haupt- und Realschule gibt es nicht, wir gehen alle auf eine Art Gesamtschule.
Wie hast du die Familienverhältnisse erlebt?
Ich hatte hier eine super Gastfamilie mit beiden Elternteilen. Normalerweise lebe ich nur bei meinem Papa und wir haben auch nicht sehr viel Zeit, etwas miteinander zu unternehmen. Zuhause esse ich morgens und abends alleine, nur mittags essen wir zusammen. Außerdem haben wir eine Putzfrau, so müssen wir fast nie putzen. Hier habe ich das Klo geputzt und das war anfangs schon nicht so einfach. Ich kenne es so, dass alles im Bad gefliest ist. Man braucht nur Wasser an zu machen, die Wände abzuspritzen und dann ist alles sauber. Das war hier nicht so einfach, das Wasser lief nicht ab, sondern blieb im Bad stehen. An eine Putzfrau gewöhnt man sich sehr. Genauso wie an einen Gärtner, einen Elektriker und jemanden, der den Computer repariert, wenn er kaputt ist. So etwas haben wir zuhause, denn es kostet nicht sehr viel.
Haben sich die Jungs dir gegenüber anders verhalten, als die in Uruguay?
In Deutschland sind die Jungs sehr schüchtern. Sie sprechen einen selten an, hinterher pfeifen geht grade so noch, mehr ist schon zu viel. In Uruguay gehen die Jungs richtig ran. Sie haben überhaupt kein Problem damit, dich anzusprechen oder dir "lecker" und "hübsch" hinterher zu rufen. Auf Partys fragen sie die Mädchen, ob sie mit ihnen tanzen und dann tanzt man Tänze wie Salsa und Samba.
Was hast du dir für Ziele vorgenommen, als du nach Deutschland gekommen bist?
Ich wollte viel Geschichte und viel Kultur lernen. Das hat mich sehr interessiert. Zum Glück konnte ich das auch. Außerdem reise ich gerne und wollte daran auch reifen. Der Besuch im Ausland hat mir besonders gut gefallen. Allerdings wurden meine meisten Vorstellungen übertroffen. Ich habe alles erreicht, was ich erreichen wollte.
Vermisst du zuhause?
Natürlich freue ich mich auf zuhause, aber ich habe es in dem letzten Jahr relativ wenig vermisst. Hier ist es toll und wenn ich mal geweint habe und meine Familie und Freunde sehr vermisst habe, war es am nächsten Morgen immer wieder gut. Dann hat mir meine Gastfamilie auch immer sehr geholfen. Wir haben dann Sport gemacht oder uns unterhalten, das half mir sehr. Manchmal hat es auch getröstet, wenn ich mir vor Augen geführt habe, wie viel Glück ich habe, dass ich hier sein darf, da Deutschland so "groß" ist. Ich habe mit meiner Familie und mit meinen Freunden aber auch Kontakt gehalten. Wir haben alle zwei Wochen telefoniert und manchmal Briefe geschrieben. Als ich denen erzählt habe, wie toll es hier ist, wie schön hier alles aussieht und wie viel Geld es hier gibt, wären sie am liebsten auch hierher gekommen. Auch mit Anna habe ich geschrieben.
Wie wirst du den Kontakt nach Deutschland halten?
Wir wollen chatten und auch mal telefonieren. Ich werde meine Freunde, Katha, Caro, Diony, Constantin, Alex, Philip, Henne und Filiz, und alle die Leute, die ich hier kennen gelernt habe, sehr vermissen. Sie waren alle sehr nett. Und Anjo werde ich vermissen (lacht). Mit der Gastfamilie werde ich den Kontakt natürlich auch halten und mit Anna werde ich auch weiterhin meine Erfahrungen austauschen. Linn fliegt für ein Jahr nach Uruguay.
Hattest du Zweifel, ob du das Jahr überstehst?
Nein, Zweifel hatte ich eigentlich nicht. Ich bin recht zuversichtlich an das ganze herangegangen, weil ich sicher war, dass es eine tolle Erfahrung werden würde. Ich hatte nur ein bisschen Angst vor Problemen, ich wusste, dass ich nicht einfach nach hause kann. Das ganze Projekt war teuer und so etwas muss man nutzen, das kann man bei Problemen nicht abbrechen. Meine deutsche Familie kannte ich schon über das Internet, so wusste ich, dass mich eine nette Unterkunft erwartet.
War ein Jahr lang genug?
Ein Jahr war nicht lange genug. Im Endeffekt würde ich das Land gerne noch näher kennen lernen. Ich habe sozusagen erstmal reingeschnuppert. Aber zwei Jahre von zuhause weg zu sein hätte ich glaube ich nicht ausgehalten, da hätte ich meine Familie zu sehr vermisst. Ich bin schon traurig, dass ich bald weg muss. Ich zähle schon die Wochen und denke dann betrübt : nur noch drei Wochen, nur noch zwei und so weiter. In meinem späteren Leben werde ich allerdings in Uruguay bleiben und nicht nach Deutschland ziehen, auch, wenn die Universitäten hier sehr gut sind. Ich liebe mein Heimatland einfach viel zu viel. Aber ich würde auf jeden Fall noch mal für ein Jahr hierher kommen.
Eine letzte Frage: Warum sollte es gerade Deutschland sein?
Andere Länder wie zum Beispiel Australien wären zu teuer gewesen. Außerdem kamen meine Ur-Ur-Großeltern aus Deutschland, daher auch der Name Effinger. Die Geschichte Deutschlands ist sehr interessant und ich wollte vieles einmal selber mit meinen eigenen Augen sehen.
Von Victoria Effinger, Diony Marques und Marina Gefken