logo


Was habt ihr für ein Bild des Deutschen in Uruguay?
Viele denken, alle Deutschen seien Nazis. Das ist natürlich nicht so. Ein mieses Vorurteil. Das gute Bier ist sehr bekannt und ich kann nur bestätigen, dass es wirklich gut ist. Deutsche sind blonde, blauäugige Menschen. Nun, es gibt hier wirklich viele blonde Menschen im Gegensatz zu Uruguay. Doch es sind nicht so viele, wie man denkt. Man weiß, dass es hier viel Geld gibt, das hat man auch bei der WM gesehen. So tolle Stadien, so gut eingerichtet, so guter Service, so viele Straßen und so viele Menschen, die ihre Autos mit WM-Artikeln schmücken. Wir haben aber keinen Spitznamen für Deutschland wie zum Beispiel die Deutschen "Inselaffen" für die Briten.

Was waren deine Ängste vor den Deutschen und was war schließlich die Wahrheit?
Bekannte von mir machten mir Angst. Sie sagten Sachen wie: "Wie kannst du nach Deutschland gehen, die Nazis bringen dich um!" Doch ich hatte keine Angst, ich hatte ein gutes Gefühl. Ich habe gemerkt, dass die Deutschen sehr ehrlich, treu und direkt sind. Man sagt sich hier die Meinung. Das finde ich gut. In Uruguay hat man Angst den anderen zu verletzen und ist eher sparsam mit der Wahrheit. Allerdings sind die Deutschen (vielleicht gerade deswegen) sehr distanziert und kalt, was ich gleich bei der Begrüßung gemerkt habe. Man sollte sich erst kennen gelernt haben, bevor man jemanden umarmt. Sonst wird es als unangenehm empfunden.

Hast du Weihnachten anders gefeiert als zu hause?
Auf jeden Fall. Hier ist es viel mehr ein Familienfest. Bei mir zu hause bekommen wir weniger Geschenke und um ein Uhr nachts treffen wir Jugendlichen uns alle auf der Straße und trinken bis um neun Uhr morgens. An Weihnachten ist es in Uruguay Sommer, man kann im Pool baden. Meine Freunde haben mich Weihnachten angerufen und mir erzählt, was sie gerade machen, dass sie feiern und es total lustig ist. Hier hat es geregnet und es war kalt, das kannte ich nicht. Mir sind die Tränen gekommen und ich wäre am liebsten kurz zu meinen Freunden geflogen und hätte mitgefeiert. Ich habe das sehr vermisst. Dafür hatte ich hier viel schönere Lichter. Überall hörte man Weihnachtsmusik und viele Gärten waren dekoriert.. Auch einen Weihnachtsmarkt kannte ich noch nicht. Das hat mich sehr beeindruckt.

Gab es Unterschiede zwischen den Schulen in Uruguay und in Deutschland?
Ich habe gestaunt, wie sehr sich die Mädchen hier schminken. Total viel Make-Up, als sei Fasching. Genauso ist es mit den Absätzen. Wir tragen in der Schule nie so hohe Absätze, das geht nicht. Ich gehe auf eine Privatschule, da muss ich eine Uniform tragen. Das Humboldt- Gymnasium ist sehr groß, hat sehr viele Labore und ist viel besser ausgestattet. Wenn wir uns zu hause etwas in Bio im Mikroskop angucken wollen, müssen wir alle nach vorne kommen und in ein Mikroskop gucken. Auf dieser Schule hatte jeder ein eigenes Mikroskop, sogar jeder einen Computer. Der Unterricht ist eigentlich nicht anders. Wir gehen um viertel vor acht zur Schule und kommen um eins nachhause. Aber wir haben länger Ferien! Von Dezember bis März sind bei uns Sommerferien, da es so heiß ist, dass Unterricht unmöglich wäre. Dann haben wir noch eine Woche im April, zwei im Juli und noch eine letzte im September. An unserer Schule gibt es leider nicht so viele Möglichkeiten, Sprachen zu lernen. Wenn wir Englischunterricht haben wollen, müssen wir das bezahlen. Kunst und Musik haben wir nur drei bis vier Jahre, dafür mehr Mathe und sehr viel Biologie. Religion wird gar nicht unterrichtet. Zwischen den Stunden haben wir nur fünf Minuten Pause, da gehen wir dann kurz raus. Im Unterricht sind die Schüler hier viel ruhiger. Sie haben mehr Respekt vor dem Lehrer. In Uruguay sagen wir "du" zu den Lehrern. Klassenausflüge werden selten gemacht und wenn dann nur einen Tag. Richtige Klassenfahrten gibt es (auch) bei uns nicht. Die Aufteilung in Haupt- und Realschule gibt es nicht, wir gehen alle auf eine Art Gesamtschule.

Wie hast du die Familienverhältnisse erlebt?
Ich hatte hier eine super Gastfamilie mit beiden Elternteilen. Normalerweise lebe ich nur bei meinem Papa und wir haben auch nicht sehr viel Zeit, etwas miteinander zu unternehmen. Zuhause esse ich morgens und abends alleine, nur mittags essen wir zusammen. Außerdem haben wir eine Putzfrau, so müssen wir fast nie putzen. Hier habe ich das Klo geputzt und das war anfangs schon nicht so einfach. Ich kenne es so, dass alles im Bad gefliest ist. Man braucht nur Wasser an zu machen, die Wände abzuspritzen und dann ist alles sauber. Das war hier nicht so einfach, das Wasser lief nicht ab, sondern blieb im Bad stehen. An eine Putzfrau gewöhnt man sich sehr. Genauso wie an einen Gärtner, einen Elektriker und jemanden, der den Computer repariert, wenn er kaputt ist. So etwas haben wir zuhause, denn es kostet nicht sehr viel.

Haben sich die Jungs dir gegenüber anders verhalten, als die in Uruguay?
In Deutschland sind die Jungs sehr schüchtern. Sie sprechen einen selten an, hinterher pfeifen geht grade so noch, mehr ist schon zu viel. In Uruguay gehen die Jungs richtig ran. Sie haben überhaupt kein Problem damit, dich anzusprechen oder dir "lecker" und "hübsch" hinterher zu rufen. Auf Partys fragen sie die Mädchen, ob sie mit ihnen tanzen und dann tanzt man Tänze wie Salsa und Samba.

Was hast du dir für Ziele vorgenommen, als du nach Deutschland gekommen bist?
Ich wollte viel Geschichte und viel Kultur lernen. Das hat mich sehr interessiert. Zum Glück konnte ich das auch. Außerdem reise ich gerne und wollte daran auch reifen. Der Besuch im Ausland hat mir besonders gut gefallen. Allerdings wurden meine meisten Vorstellungen übertroffen. Ich habe alles erreicht, was ich erreichen wollte.